DSW21 gedenkt mit #WeRemember-Bahn der 1.973 Dortmunder Holocaust-Opfer
Anlässlich des 80. Jahrestages der Deportation nach Auschwitz fährt künftig eine besondere Stadtbahn durch Dortmund, mit der die Erinnerung in den Alltag getragen wird. Auf dieser Seite finden Sie künftig weitere Informationen und Verlinkungen zur Geschichte der antisemitischen Verfolgung und den Deportationen aus Dortmund.
Der 2. März 1943 markiert einen traurigen Tag in der Geschichte der Stadt Dortmund und in der Geschichte der Dortmunder Stadtwerke. Von einem Sammellager in der Gaststätte „Deutsches Haus“ in Brackel wurden in den frühen Morgenstunden ungefähr 300 Jüdinnen und Juden aus Dortmund und Westfalen mit der Straßenbahn zum Südbahnhof gebracht. Gemeinsam mit 200 weiteren Jüdinnen und Juden aus dem Südwesten des Reiches und dem Rheinland, die am Tag zuvor Dortmund erreicht und die Nacht im Schlachthof verbracht hatten, wurden sie in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert.
Die meisten Dortmunderinnen und Dortmunder aus diesem Transport wurden in den Gaskammern von Birkenau ermordet. Nur sehr wenige überlebten den Holocaust und konnten später der Nachwelt über ihr Leid berichten. Auch davon, wie sie in Straßenbahnwagen der Dortmunder Stadtwerke über den Hellweg bis zum Ostentor gefahren wurden und von dort aus das letzte Wegstück bis zum Südbahnhof zu Fuß zurücklegen mussten. Anlässlich des 80. Jahrestages dieser Deportation von Dortmund bekennt sich DSW21 mit einer »Erinnerungsbahn« der Mitverantwortung. Unter dem Titel der vom Jüdischen Weltkongress (WJC) initiierten Kampagne #WeRemember trägt die Bahn die Namen aller namentlich bekannten 1.973 Dortmunder Jüdinnen und Juden, die im Holocaust ermordet wurden.
„Erinnerung in den Alltag tragen“
„Die offiziellen Gedenktage erreichen häufig nur eine bestimmte Zielgruppe. Gedenksteine wiederum sind an Orte gebunden, die man kennen muss. Diese Bahn trägt die Erinnerung in den Alltag und schafft mit dem Blick auf die Dortmunder Geschichte eine Anknüpfung an die Lebenswelt der Menschen. Sie kann Bürgerinnen und Bürgern den Anstoß geben, sich mit der Geschichte zu beschäftigen und sie eröffnet die Möglichkeit, weiterführende Informationen über den historischen Kontext und die deportierten Jüdinnen und Juden zu erhalten“, sagt Harald Kraus. Der Arbeitsdirektor von DSW21 betont, wie wichtig ihm besonders dieser Aspekt ist. „Wir erleben derzeit auf vielen Ebenen, dass die Geschichte des Holocaust verzerrt und verfälscht wird. Zum Beispiel auf Demonstrationen oder im Internet. Dagegen hilft nur eine Auseinandersetzung, die anhand von ganz konkreten Beispielen die Dimension dieses schrecklichen Verbrechens vermittelt. Dazu möchten wir einen Beitrag leisten.“
Dies unterstreicht der geschäftsführende Vizepräsident des Jüdischen Weltkongresses, Maram Stern: „80 Jahre nach den historischen Ereignissen stehen wir vor der Herausforderung, die Erinnerung an den Holocaust langfristig zu sichern. In einer sich verändernden Welt müssen wir dafür neue Wege gehen. Es ist gut zu sehen, dass sich ein Unternehmen wie die DSW21 als Akteur dieser zukünftigen Erinnerung sieht und mit dem Beispiel der Stadtbahn vorangeht. Ich wünsche mir mehr vergleichbare Aktivitäten.”
Stadtwerke lassen ihre Rolle in der NS-Zeit aufarbeiten
Hervorgehoben wird mit dem Projekt auch die Alltäglichkeit von Mittäterschaft. Der Transport der Jüdinnen und Juden in Straßenbahnwaggons zeigt, wie verschiedene Personengruppen und Institutionen in den Prozess von Ausgrenzung, Verfolgung, Raub und Deportation eingebunden waren. Deswegen sind auf der Stadtbahn auch Zitate von zwei der Deportierten zu lesen. Hans Frankenthal erinnerte sich wie folgt an den 2. März 1943: „Auf dem Brackeler Hellweg – wieder am helllichten Tag – mussten alle Juden in Straßenbahnwagen einsteigen, die sie bis zum Ostentor brachten. Von dort ging die Kolonne ungefähr einen Kilometer zu Fuß bis zum Südbahnhof.“ Und Ernst Lion berichtete: „Am nächsten Morgen wurden wir in Straßenbahnwaggons zum Südbahnhof transportiert, da der Hauptbahnhof außer Betrieb war. Dort wartete bereits ein Zug auf uns.“
Schilderungen, die zeigen, dass auch die Dortmunder Stadtwerke ein Rädchen im Getriebe waren. „Wir haben daher im Vorstand von DSW21 beschlossen, nicht nur diese Bahn dauerhaft fahren zu lassen“, so Harald Kraus. „Wir werden darüber hinaus einen Historiker beauftragen, die Rolle der Stadtwerke in der NS-Zeit wissenschaftlich aufzuarbeiten.“
Kommunale Unternehmen weiten Bildungsprogramm aus
Das Engagement für die Holocaust-Erinnerung ist für DSW21 aber nichts, das allein in die Vergangenheit ausgerichtet ist. „Ganz im Gegenteil“, so Kraus. „Aus dem Gedenken erwächst eine Verantwortung für Gegenwart und Zukunft. Seit Jahren beobachten wir zunehmenden Antisemitismus in unserer Gesellschaft. Dieser Entwicklung wollen wir mit aller Konsequenz entgegentreten! Durch Information, Aufklärung und mit klaren Vorgaben für die Unternehmenskultur.“ DSW21, DEW21/DONETZ und die Entsorgung Dortmund GmbH (EDG) haben 2021 gemeinsam mit Borussia Dortmund und dem Deutschen Fußballmuseum erstmals ein Bildungsprogramm für Auszubildende angeboten. „Von Dortmund nach Auschwitz“ ist der Titel. Zu den Modulen gehört neben der Spurensuche in Dortmund auch eine einwöchige Bildungsreise nach Oświęcim in Polen in die staatliche Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau.
Die Teilnehmenden setzten sich zudem mit gegenwärtigen Formen des Antisemitismus, Rassismus sowie Antiziganismus auseinander und agieren innerhalb des Unternehmens nun als wichtige Multiplikatoren. Außerordentlich dankbar ist Harald Kraus, dass durch das Projekt auch ein Kontakt zur jüdischen Gemeinde in Dortmund entstand und ihre Vertreter nun in das Projekt der Stadtbahn eingebunden werden konnten. Der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde, Zwi Rappoport, betont: „Die Erinnerung an den Zivilisationsbruch der Shoa und die Auseinandersetzung mit den Verbrechen des Nationalsozialismus sind wichtige Beiträge zur Demokratiebildung und im Kampf gegen Antisemitismus und Rassismus. Daher begrüße ich die Initiative der Stadtwerke, ihre eigene Geschichte während der NS-Zeit aufzuarbeiten und dies mit konkreten Bildungsprojekten für ihre Mitarbeiter und dem Vorhaben einer »Erinnerungsbahn« zu verbinden.”
Die Eindrücke der ersten Auflage des Bildungsprogramms waren derart nachhaltig, dass die kommunalen Unternehmen beschlossen haben, dieses Angebot auch künftigen Auszubildenden zu machen und im nächsten Schritt auf alle Beschäftigten auszuweiten. Am 13. Februar fand bereits das Auftakttreffen für das Jahr 2023 statt.
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